Patentverletzung beim Einheitspatent: Fälle, Verfahren und Zuständigkeiten

Mit dem Einheitspatent haben Patentinhaber seit Juni 2023 neben dem nationalen Patent und dem europäischen Patent eine dritte Möglichkeit, ihre Patente EU-weit zu schützen. Anders als bei europäischen Patenten werden beim Einheitspatent sowohl Patentverletzungen als auch Nichtigkeitsklagen von einem zentralen Gericht verhandelt – dem Einheitliche Patentgericht (EPG) oder Unified Patent Court (UPC).

  • Was unterscheidet Einheitspatente von europäischen Patenten?
  • Unterschiedliche Arten von Patentverletzung beim Einheitspatent
  • Patentverletzungen: Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht (UPC)
  • Was Unternehmen tun können, um Verletzungen von Einheitspatenten zu vermeiden

Was unterscheidet Einheitspatente von europäischen Patenten?

Das „europäische Patent mit einheitlicher Wirkung“, kurz Einheitspatent, ist am 01. Juni 2023 als Teil des EU-Patentpakets in Kraft getreten, eines neuen einheitlichen europäischen Patentsystems. Das Einheitspatent gilt einheitlich in insgesamt 18 EU-Staaten, die das sogenannte EPG-Übereinkommen validiert haben. Ziel des einheitlichen europäischen Patentsystems ist es, Verfahren schneller, effizienter und zentraler zu entscheiden.

Anmeldung eines europäischen Patents als Voraussetzung für das Einheitspatent

Genau wie europäische Patente werden auch Einheitspatente vom Europäischen Patentamt (EPO) erteilt. Das europäische Patent bildet dabei die Voraussetzung für das Einheitspatent: Erst, wenn das EPO ein europäisches Patent erteilt hat, kann der Patentinhaber den „Antrag auf einheitliche Wirkung“ stellen. Wird das Einheitspatent eingetragen, gilt es automatisch in allen Mietgliedstaaten. Eine separate Validierung in den einzelnen Ländern ist nicht notwendig.

Zuständigkeit bei Patentstreitigkeiten

Seit Gründung des Einheitlichen Patentgerichts im Juni 2023 ist das Gericht als zentrale Stelle grundsätzlich für alle Streitigkeiten über Einheitspatente und standardmäßig auch für klassische europäische Patente zuständig. Inhaber europäischer Patente können allerdings innerhalb einer sieben Jahre währenden Übergangsfrist (seit 2023) einen Opt-out beantragen, nach dem ihre europäischen Patente weiterhin in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fallen. Der Opt-out kann unter Umständen sinnvoll sein, wenn ein erteiltes europäisches Patent ohnehin nur in einem oder zwei Ländern validiert ist, sodass die Durchsetzung von Patentstreitigkeiten vor dem UPC einen Mehraufwand bedeuten würde.

Europäische Patente (mit Opt-out)Einheitspatente
Patentstreitigkeiten in mehreren Ländern müssen in separaten Prozessen vor den jeweiligen nationalen Gerichten durchgesetzt werden.Verfahren über Verletzungen und über den Rechtsbestand von Patenten (Nichtigkeitsklage) werden zentral vor dem Einheitlichen Patentgericht (UPC) entschieden.
Verfahren sind unter Umständen zeitaufwendiger und daher mit Mehrkosten verbunden.Urteile des UPC gelten automatisch in allen teilnehmenden Staaten.
Häufig abweichende Urteile in den unterschiedlichen Ländern.Patentinhaber können ihr Recht bei Patentverletzungen leichter durchsetzen. Bei Nichtigkeitsklagen können Patente in allen teilnehmenden Staaten gleichzeitig ungültig werden.

Unterschiedliche Arten von Patentverletzung beim Einheitspatent

Genau wie bei nationalen Patenten und bei europäischen Patenten gibt es auch beim Einheitspatent unterschiedliche Formen der Verletzung fremder Schutzrechte.

  1. Direkte Patentverletzung
    – Herstellen eines durch das Einheitspatent geschützten Produkts
    – Verkauf oder Anbieten eines solchen Produkts in den Mitgliedstaaten
    – Importieren von Produkten, die eine durch das Einheitspatent geschützte Technologie nutzen
    – Anwenden eines durch das Einheitspatent geschützten Verfahrens
  2. Mittelbare Patentverletzung
    – Lieferung von Bestandteilen, die speziell für die Nutzung von patentgeschützten Produkten bestimmt sind, in dem Wissen, dass es sich um eine Patentverletzung handelt
    – Anbieten solcher Bestandteile an Unternehmen in den Mitgliedstaaten
  3. Anwendung geschützter Verfahren
    – Unerlaubtes/unlizensiertes Anwenden eines durch das Einheitspatent geschützten Verfahrens
    – Anbieten eines Produkts, das unerlaubt direkt durch ein patentiertes Verfahren hergestellt wurde

Patentverletzungen: Verfahren vor dem Einheitlichen Patentgericht (UPC)

Alle Streitigkeiten rund um Patentverletzungen und Nichtigkeit von Einheitspatenten werden zentral vom UPC entschieden. Unterschiede zwischen dem Einheitspatent und europäischen bzw. deutschen Patenten gibt es aber nicht nur bei der Zuständigkeit, sondern zum Teil auch in der Art der Verfahren und bei den verfügbaren Maßnahmen.

Verfahren vor nationalen Gerichten
(europäisches Patent mit Opt-out)
Verfahren vor dem UPC
ZuständigkeitVerletzungsgerichte in Deutschland (z. B. Düsseldorf, Mannheim, München)Einheitliches Patentgericht (verschiedene Lokal- und Regionalkammern in Europa)
VerfahrensartTrennung von Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren: Nichtigkeit wird separat beim Bundespatentgericht verhandeltVerletzungs- und Nichtigkeitsklagen werden zentral vor dem UPC verhandelt, können aber von unterschiedlichen Kammern behandelt werden
SpracheVerfahrenssprache in der Regel DeutschVerfahrenssprache je nach Kammer Englisch oder die Landessprache
DauerVerfahren in Deutschland dauern durchschnittlich 12–24 Monate, in Eilfällen ggf. kürzerZiel ist eine Entscheidung innerhalb von 12 Monaten
MaßnahmenUnterlassung
Schadenersatz
Rückruf und Vernichtung der Produkte -> nur innerhalb des jeweiligen Landes
Unterlassung
Schadenersatz
Rückruf und Vernichtung der Produkte -> einheitlich für alle UPC-Mitgliedstaaten
BerufungsklagenVerletzung: Berufung zum OLG Nichtigkeit: BPatG/ BGHBerufungsgericht des UPC in Luxemburg

Sowohl Verletzungs- als auch Nichtigkeitsklagen werden vor dem UPC verhandelt

Im deutschen Patentsystem gilt das Trennungsprinzip (engl.: bifurcation principle), nach dem jeweils unterschiedliche Gerichte über Verletzung und Nichtigkeit von Patenten entscheiden. Dies trifft auch bei Verfahren zu europäischen Patenten zu, sofern diese einen Opt-out gemäß Art. 83 EPGÜ beantragt haben.

Bei Einheitspatenten entscheidet das Einheitliche Patentgericht grundsätzlich sowohl über Verletzungs- als auch über Nichtigkeitsklagen. Dennoch können ein Verletzungsverfahren und ein paralleles Nichtigkeitsverfahren zu einem Patent unter Umständen von unterschiedlichen Kammern des UPC entschieden werden. 

Die zuständige Lokalkammer oder Regionalkammer des UPC entscheidet dabei je nach Fall, ob sie

  • die Verletzungsklage und die Nichtigkeitswiderklage gemeinsam verhandelt.
  • die Nichtigkeitswiderklage zur Entscheidung an die Zentralkammer des UPC verweist.
  • den gesamten Fall mit beiden Klagen an die Zentralkammer verweist. Dies erfordert allerdings die Zustimmung des Patenthalters, der dies im Sinne einer schnelleren Entscheidung durch die Regionalkammer häufig ablehnt.

Was Unternehmen tun können, um Verletzungen von Einheitspatenten zu vermeiden

In einer globalen und innovationsgetriebenen Wirtschaft ist der Schutz geistigen Eigentums ein zentraler Erfolgsfaktor. Patente sichern Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, gleichzeitig bergen sie erhebliche rechtliche Risiken – etwa dann, wenn fremde Schutzrechte unbeabsichtigt verletzt werden. Insbesondere für international agierende Unternehmen ist es daher unverzichtbar, sich mit dem Patentrecht auseinandersetzen, um kostspielige Patentstreitigkeiten zu vermeiden. Zu den präventiven Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, zählen:

  • Freedom-to-Operate-Analysen zur Klärung bestehender Schutzrechte vor der Entwicklung oder Markteinführung neuer Produkte
  • Monitoring bestehender und neuer Einheitspatente im jeweiligen Technologiefeld des Unternehmens
  • Umfassende Produktprüfungen, insbesondere bei neuen Technologien oder bei Expansion in neue Märkte
  • Schulungen und interne Richtlinien zum grundlegenden Wissen über Patentrechte und Patentrisiken
  • Frühe juristische Beratung durch spezialisierte Patentanwälte einholen

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Dipl.-Chem. Dr. Torben König

Dipl.-Chem. Dr. Torben König

Dr. Torben König ist Deutscher Patentanwalt und European Patent Attorney. Seine Spezialgebiete umfassen unter anderem Patentrecht, insbesondere Anmelde-, Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, dem Bundespatentgericht und dem Europäischen Patentamt sowie Nichtigkeitsklagen vor dem Bundespatentgericht und dem Bundesgerichtshof sowie Verletzungsverfahren.

Disclaimer: Die vorstehenden Informationen ersetzen keine rechtliche Beratung. Es besteht keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit.

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